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Don Winslow und die Verben



Der erfolgreiche Thriller-Autor Don Winslow hört einfach mit dem Schreiben auf. Spinnt der? Es gäbe jetzt Wichtigeres zu tun, meint er, die Demokratie in den USA sei bedroht, das erfordere eine Antwort, für die ein Roman nicht ausreiche (s. DIE ZEIT N° 24, 29. Mai 2024, S. 47). Ich horche auf, das trifft meinen wunden Punkt: Sollte ich meine Energien besser für eine größere gesellschaftliche Aufgabe einsetzen? Die Themen Naturschutz, Artensterben, Klimawandel, Rassismus, Krieg drängen. Sie beunruhigen mich, machen mich hilflos. Und doch führe ich meine Arbeit abseits der Ungeheuerlichkeiten fort. Dabei habe ich meinen Senf zur Bewältigung des Stotterns und zu Problemen der Therapie doch reichlich dazugegeben (kommt sowieso nichts Neues mehr). Und älter werde ich auch, die Zeit drängt, mische dich ein, denke ich. Doch dann tun sich Fragen auf: Wo, wann, mit wem will ich meine Stimme erheben? Bringt das überhaupt etwas? Dann denke ich an Euch: Wie mag es Stotternden ergehen, die ihre Stimme erheben? Gelten die persönlichen Ängste vor der Kommunikation – wenn irgendwann mal abgerechnet wird – als Grund, sich zu enthalten? Nun, ich selbst stottere nicht mehr, ich hätte da keine Ausrede parat. Dabei wären wir, die wir uns mit dem Stottern beschäftigen, doch eigentlich prädestiniert fürs Einmischen. Bewältigung des Stotterns kann doch nur gelingen, wenn wir uns hineinbegeben in die Auseinandersetzung, wenn wir lernen teilzuhaben. Kommunikation ist Auseinandersetzung, ein Schritt, der in der Selbsthilfe, der Therapie gelehrt, geübt, niedergeschrieben und auf der ganzen Welt verbreitet wird. Wir verfügen, im Vergleich zu vielen unserer Mitmenschen, über einen reichen Schatz an Wissen und Methoden, wie sich Verhalten und Gefühle ändern lassen, wie wir Beziehungen gestalten und Prozesse in Gruppen beeinflussen können. Und Strategien, langjährige Einstellungen und feste Überzeugungen zu verändern, greifen. Das belegen die Erfahrungen in der Stotterszene. Heißt es nicht beim Stottern: Wer nicht wagt, der verliert, der gewinnt nicht Freiheit und Mitbeteiligung, der gibt sich seinem Schicksal hin? Das gilt natürlich auch für mich. Nur, was mache ich mit meinen zögerlichen Gefühlen? Don Winslow hat dieses Argument nicht gelten lassen: Es käme nicht auf die Adjektive an, schreibt er. Unsere „… Taten können wir ändern. Es ist im Leben wie im Schreiben: Die Verben sind das Wichtigste! Was wir tun, ist das Wichtigste!“ (s.o.) Und du, gibt es bei dir Schlupflöcher aus deinen abgesteckten Lebensbereichen, die dich zu neuen Taten einladen? Ich jedenfalls bin mir noch unsicher, wohin ich aufbrechen werde. – Aber mit dem Schreiben werde ich erst mal weitermachen. Oder?

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